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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453290648
Sprache: Deutsch
Umfang: 400 S.
Format (T/L/B): 3.6 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Der Verstand denkt, die Liebe lenkt Juliane ist unabhängig und lebt als erfolgreiche Immobilienmaklerin glücklich allein mit ihrer kleinen Tochter. Männer stehen bei ihr auf der Gehaltsliste, nicht auf der Matte. Bis sie Georg trifft. Einen Obdachlosen. Eine turbulente Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt . Juliane Hempel, 36 Jahre, verkauft Luxusimmobilien und ist Spitze auf ihrem Gebiet. Kaum ein Millionär, den sie nicht in ihrer Kartei hat, kaum eine Liegenschaft in Traumlage, die nicht durch ihre Vermittlung an einen solventen Kunden geraten wäre. Umso befremdlicher ist für sie die Begegnung mit einem Obdachlosen, der es sich auf ihrer Lieblingsparkbank - und schlimmer noch - in den leer stehenden Villen gemütlich macht. Je leidenschaftlicher Juliane versucht, sich diesen Mann vom Hals zu schaffen, umso häufiger begegnen sie sich. Sie rast vor Wut, er amüsiert sich. Erst als sie Georgs Vorgeschichte erfährt, ändert sich Julianes Einstellung. Die Vernunft sagt ihr, sich nicht auf ihn einzulassen, das Herz sagt etwas anderes. Als er eines Tages unschuldig im Gefängnis landet, muss Juliane sich entscheiden.

Leseprobe

Nebenan ist die Schlange viel kürzer. Die genervte Kassiererin schreit: »Kasse drei, bitte auch anstellen!« Aber niemand will sich bei Kasse drei anstellen. Ich auch nicht. Und ich kann auch sagen, warum: Das männliche. Wesen, das da an Kasse drei steht, ist ein. wie soll man so eine Kreatur beschreiben? Vagabund. Clochard. Sandler. Und das ist noch nett ausgedrückt. Graue zerlumpte Fetzen hat er an, mehrere Schichten übereinander, vor Dreck starrende Strickhandschuhe, von denen die Fingerspitzen abgerissen sind, auf dem Kopf eine Wollmütze undefinierbarer Farbe und Form, der Mantel, den er trotz des relativ milden Wetters über seinen vielen Klamotten trägt, könnte auch ein Altkleidersack sein, und die Schuhe stammen wahrscheinlich aus den Überresten der Heilsarmee. Und wenn ich ganz genau hinsehe, glaube ich sogar zu bemerken, dass rechts vorne aus dem Loch eine grauschwarze Socke rausschaut. Oder ist das die große Zehe? Grauenvoll. Und das in meinem Lieblingssupermarkt. Dem mit der Delikatessen-Frischetheke. Dass der sich hier reintraut! Der Penner. Entschuldigung, dass ich das so krass sage. Einer von der Sorte, die ihren Einkaufswagen gleich mitnehmen. Nach »Hause«. Der Einkaufswagen ist ihr Zuhause. Unwillkürlich rümpfe ich die Nase. Was der da alles drin hat! Plastiktüten, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben, Rucksäcke, Taschen, Beutel, vollgestopft bis zum Platzen. Überall hängen Fetzen heraus: Stofffetzen, Papierfetzen, Zeug, halt überflüssiger, dreckiger Kram. Und dieser Mann - kann es sein, dass dieser merkwürdige Geruch, der mir schon die ganze Zeit in die Nase steigt, von ihm ausgeht? Und ich hatte noch gedacht, in der Gemüseabteilung sei ein Wirsing am Faulen. Das ist ja widerlich! Peinlich berührt versuche ich, woandershin zu schauen. Auf das Zeitschriftenregal, zum Beispiel. Auf den Titelblättern sind nur schöne strahlende Menschen zu sehen. Fernsehstars und Dancing Stars und Filmstars, und alle sind proper und gepflegt und nicht nur sauber, sondern rein. Bis auf Britney Spears vielleicht. Die macht ja gerade ihre sensationelle zweite Weltkarriere als Struwwelliese. Das ist ja auch schon wieder schick, irgendwie. Jedenfalls verkauft es sich gut. Die Arme. Und dann diese Entzugskliniken! Meine Supermarktkassenschlange ist leider lang genug, dass ich mir das alles durchlesen kann. Ich seufze. Wie gut, dass wir alle in so geordneten Verhältnissen leben! Wir Saubermänner und -frauen, wir! Na gut, ein paar Sorgen hat jeder. Vielleicht auch ein paar größere, wenn ich mir diesen Penner so anschaue. Andererseits hat der wahrscheinlich überhaupt keine mehr. Sorgen, meine ich. In meiner Schlange wird gedrängelt. »Ja, geht denn da nichts weiter?« »Warum machen die denn nicht noch eine Kasse auf?« »Das sehen Sie doch!«, empört sich eine Dicke, deren Hutrand mir fast in die Augen sticht, als sie sich abrupt zu meinem Hintermann umdreht. »Dieses verkommene Pack! Dass so was hier überhaupt reindarf!« »Tja, zu meiner Zeit wäre das nicht passiert«, grummelt der glatzköpfige Lodenträger hinter mir. »Da herrschte noch Zucht und Ordnung!« »Genau!«, entrüstet sich die Dicke unter ihrem Federhut. »Zu Hitlers Zeiten wären die alle im Arbeitslager verschwunden!« Na ja, das finde ich jetzt schon sehr krass. Nicht dass ich was gegen Spießer hätte. Oder gegen Penner. Selbst gegen Britney Spears habe ich nichts. Ich bin da wahnsinnig tolerant, hüben wie drüben. Es muss solche geben und solche. Meine altkluge Halbschwester Christiane, die bei uns gegenüber wohnt, sagt immer, jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Aber jetzt fühle ich mich unwohl. Mit meinem frischen, knusprigen Lieblingsbiobrot, das noch warm ist, und dem Vollwertaufstrich, den meine Tochter Fanny so mag, werde ich des Schlangestehens bald überdrüssig. Meine Güte, ich hab's eilig! Nun macht doch hinne! Heute ist sowieso nicht mein Tag. Ich könnte platzen vor Stress. Keinen einzigen Termin konnte ich pünktlich einhalte Leseprobe

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